Nierenversagen bei der Katze: Endstadium und Anzeichen richtig erkennen
Wenn eine Katze im Endstadium von Nierenversagen ist, fühlt es sich an, als würde man ein geliebtes Familienmitglied langsam verlieren. In dieser Lebensphase stellen sich viele Fragen: Woran erkenne ich, dass meine Katze im Endstadium ist? Wie kann ich ihr helfen? Wann ist der richtige Zeitpunkt für einen Abschied – und wie kann ich sicher sein, das Richtige zu tun?
Dieser Artikel soll Orientierung geben. Er erklärt, welche Anzeichen typisch für das Endstadium sind, wie der Verlauf dieser Erkrankung aussieht, welche Möglichkeiten der palliativen Begleitung bestehen – und wie Halterinnen und Halter in dieser schwierigen Zeit Unterstützung finden können.
Was bedeutet Nierenversagen im Endstadium überhaupt?
Das chronische Nierenversagen (CKD) ist eine langsam fortschreitende, nicht heilbare Erkrankung, die besonders häufig ältere Katzen betrifft.1 Im Verlauf verlieren die Nieren immer mehr ihrer Filterfunktion – Abfallstoffe wie Harnstoff und Kreatinin bleiben im Blut und vergiften den Körper schleichend.
Tierärztinnen und Tierärzte stufen die Krankheit nach dem international anerkannten IRIS-System in vier Stadien ein.2 Das Stadium 4, auch Endstadium genannt, bezeichnet die schwerste Form: Die Nierenfunktion ist stark eingeschränkt, die Katze zeigt deutliche Krankheitssymptome, und die Prognose ist ernst. Heilung ist nicht mehr möglich – aber Linderung und eine Verbesserung der Lebensqualität sind es sehr wohl.
CKD oder CNE?
Beide Begriffe meinen dasselbe: eine chronische Nierenerkrankung der Katze. CKD steht für den englischen Fachbegriff Chronic Kidney Disease, während CNE die deutsche Abkürzung für Chronische Nierenerkrankung (früher auch Chronische Niereninsuffizienz) ist. In beiden Fällen handelt es sich um eine langsam fortschreitende, nicht heilbare Störung der Nierenfunktion, die über Monate oder Jahre entsteht.
Nierenversagen bei der Katze: Typische Anzeichen und Symptome
Die Anzeichen im Endstadium des Nierenversagens bei der Katze sind deutlich erkennbar, entwickeln sich aber oft schleichend. Bei vielen Katzen fällt erst spät auf, dass etwas nicht stimmt.3
Häufige körperliche Veränderungen:
- Starker Gewichtsverlust und eingefallene Muskulatur
- Appetitlosigkeit, Übelkeit und Erbrechen
- Dehydratation (Austrocknung) trotz verstärkten Trinkens
- Blasse Schleimhäute durch Blutarmut (Anämie)
- Mundgeruch und vermehrter Speichelfluss
- Struppiges Fell, weil die Katze sich nicht mehr richtig pflegt
Stoffwechselbedingte Veränderungen:
- Hyperphosphatämie – erhöhter Phosphatwert im Blut
- Metabolische Azidose – Übersäuerung des Körpers
- Hypokaliämie (zu wenig Kalium), die Herzrhythmusstörungen verursachen kann
- Bluthochdruck, der die Nieren zusätzlich belastet
Wenn Ihre Katze mehrere dieser Symptome zeigt, ist ein sofortiger Tierarztbesuch wichtig. Dort können Blut- und Urinuntersuchungen klären, ob ein Nierenversagen vorliegt und welche Behandlungsoptionen sinnvoll sind.
Palliativmedizinische Begleitung: Lebensqualität steht im Mittelpunkt
In dieser Lebensphase ist die Tierarztpraxis die erste und wichtigste Anlaufstelle. Dort können Sie gemeinsam besprechen, welche palliativmedizinischen Maßnahmen sinnvoll sind und wie Sie Ihre Katze zu Hause bestmöglich unterstützen.
Häufig empfohlene Maßnahmen:
- Flüssigkeitszufuhr sichern: durch Nassfutter, Trinkbrunnen oder subkutane Infusionen, die auch zu Hause gegeben werden können.
- Sicherung der Futteraufnahme mit intensivmedizinischem Spezialfutter mit guter Akzeptanz.
- Symptomlinderung: Medikamente gegen Übelkeit, Appetitanreger, Blutdruckmittel, Phosphatbinder oder Mittel gegen Anämie.
- Ruhige Umgebung und Zuwendung: Wärme, Ruhe, Unterstützung bei der Fellpflege und vertraute Nähe geben Halt – auch ohne viele Worte.
Der Tierarzt oder die Tierärztin kann individuell beraten, wann und welche Behandlungen sinnvoll sind – und wann es wichtiger wird, den Fokus auf Komfort, statt auf Therapie zu legen.
Auf einen Blick: Palliativmedizinische Maßnahmen für Ihre Katze
CNE auf der Spur: Vorsorge rettet Lebensqualität
Regelmäßige Vorsorgeuntersuchungen in der Tierarztpraxis sind der beste Weg, um eine chronische Nierenerkrankung früh zu erkennen – oft lange, bevor sichtbare Symptome auftreten. Denn Veränderungen der Nierenfunktion entwickeln sich schleichend und bleiben zu Beginn meist unbemerkt.
Beim Check werden Gewicht, Allgemeinzustand und Blutdruck kontrolliert – einfache Maßnahmen, die entscheidende Hinweise auf die Nierengesundheit liefern können.
Wichtig: Ein routinemäßiger Vorsorge-Check einmal im Jahr, bei älteren Katzen besser halbjährlich, hilft, Probleme frühzeitig zu erkennen und rechtzeitig gegenzusteuern. So bleibt Ihrer Katze wertvolle Lebensqualität und Lebenszeit erhalten.
Begleitung für Tierhalter: Hilfe in einer schweren Zeit
Das Endstadium einer chronischen Nierenerkrankung ist auch für Halterinnen und Halter emotional belastend. Studien zeigen, dass fast alle Katzenbesitzer in dieser Phase große Sorgen und Ängste empfinden – vor allem um die Lebensqualität ihres Tieres.5
Tierärztinnen und Tierärzte empfehlen, die eigene Belastungsgrenze zu kennen – emotional, zeitlich und finanziell. Niemand sollte diese Verantwortung allein tragen müssen. Unterstützung bieten Tierärzte, Tierkliniken mit Palliativangeboten und auch spezialisierte Tierhospiz-Organisationen.6
Die HHHHHMM-Skala: Lebensqualität objektiv einschätzen
Um zu beurteilen, ob eine Katze trotz Krankheit noch Lebensfreude hat, nutzen Tierärztinnen und Tierärzte oft die HHHHHMM-Skala.7 Sie steht für:
Hurt – Hunger – Hydration – Hygiene – Happiness – Mobility – More Good Days than Bad.
Das bedeutet:
- Hurt: Hat die Katze Schmerzen oder Atemnot?
- Hunger: Frisst sie freiwillig oder muss sie zum Fressen animiert werden?
- Hydration: Ist sie ausreichend mit Flüssigkeit versorgt?
- Hygiene: Kann sie sich noch selbst putzen und das Katzenklo nutzen?
- Happiness: Zeigt sie noch Interesse, schnurrt sie, sucht sie Nähe?
- Mobility: Kann sie sich selbstständig bewegen?
- More Good Days than Bad: Gibt es mehr gute als schlechte Tage?
Ein Beispiel: Wenn Ihre Katze kaum frisst, schwach ist und sich häufig zurückzieht, Sie aber täglich noch Momente erleben, in denen sie interessiert wirkt, aufmerksam reagiert, Nähe sucht oder ein sonniges Plätzchen genießt, dann ist Lebensqualität noch vorhanden. Schnurren sollte in dieser Phase jedoch nicht als sicheres Zeichen von Wohlbefinden gewertet werden – im Endstadium kann es auch agonal auftreten, also ein Ausdruck körperlicher Schwäche kurz vor dem Tod sein. Verschiebt sich das Gleichgewicht und überwiegen die schlechten Tage, ist das Gespräch mit der Tierärztin über Euthanasie ein wichtiger und liebevoller Schritt – ganz im Sinne einer würdevollen End-of-Life-Care.4
Diese Skala hilft, den Blick vom „Wie lange noch?“ hin zum „Wie geht es ihr wirklich?“ zu lenken – und erleichtert so den Weg zur richtigen Entscheidung im passenden Moment.
Katze mit Nierenversagen: sterben lassen oder einschläfern?
Viele Halterinnen und Halter stellen sich diese Frage – und sie ist nie leicht. Eine Katze sterben zu lassen bedeutet, den natürlichen Prozess zu begleiten, solange sie keine Schmerzen hat und noch Lebensfreude zeigt. Leider passiert das sehr selten. Sie einschläfern zu lassen, ist dann richtig , wenn Leiden überwiegt: wenn das Tier nicht mehr frisst, Schmerzen hat, kaum noch reagiert oder dauerhaft apathisch ist.⁸
Eine sanfte Euthanasie erfolgt unter tiefer Sedierung – die Katze schläft friedlich ein und spürt nichts mehr. Es ist ein Akt der Fürsorge, kein Aufgeben.
Mit Liebe, Wissen und Begleitung Abschied nehmen
Nierenversagen bei der Katze im Endstadium ist eine sehr ernste Diagnose. In diesem letzten Stadium der Erkrankung ist keine Heilung mehr möglich, die Prognose ist leider ungünstig. Doch mit tierärztlicher Unterstützung, viel Einfühlungsvermögen und liebevoller Fürsorge können Sie Ihrer Katze helfen, die verbleibende Zeit so angenehm und würdevoll wie möglich zu erleben.
Und noch wichtiger: Regelmäßige Vorsorgeuntersuchungen können über Früherkennung und frühzeitige Therapie das Fortschreiten der Nierenerkrankung über lange Zeit, manchmal Jahre, hinauszögern. Wer Veränderungen früh erkennt, gibt seiner Katze die beste Chance auf ein langes, gesundes Leben.
-
1. Geddes, R. F., Elliott, J., & Syme, H. M. (2013). Feline chronic kidney disease: Pathophysiology and risk factors. Journal of Feline Medicine and Surgery, 15(1), 3–14. https://doi.org/10.1177/1098612X13495234
-
2. International Renal Interest Society (IRIS). (2023). Treatment Recommendations for Chronic Kidney Disease (CKD) in Cats – Updated 2023. London, UK: IRIS Ltd. Retrieved from https://www.iris-kidney.com
-
3. International Renal Interest Society (IRIS). (2023). Treatment Recommendations for Chronic Kidney Disease (CKD) in Cats – Updated 2023. London, UK: IRIS Ltd. Retrieved from https://www.iris-kidney.com
-
4. American Association of Feline Practitioners (AAFP) & International Association for Animal Hospice and Palliative Care (IAAHPC). (2023). AAFP/IAAHPC Feline End-of-Life Care Guidelines. Journal of Feline Medicine and Surgery, 25(3), 187–211. https://doi.org/10.1177/1098612X231201683
-
5. Journal of Feline Medicine and Surgery. (2025). Owner experiences and health-related quality of life in cats with chronic kidney disease. J Feline Med Surg, 27(2), 122–139. https://doi.org/10.1177/1098612X251314769
-
6. American Association of Feline Practitioners (AAFP). (2021). Senior Care Guidelines. Journal of Feline Medicine and Surgery, 23(7), 609–635. https://doi.org/10.1177/1098612X211022843
-
7. American Association of Feline Practitioners (AAFP). (2025). End-of-Life Toolkit. Retrieved from https://catvets.com/end-of-life-care
-
8. Cats Protection. (2024). Kidney disease in cats – recognising the signs and knowing when to say goodbye. Horsham, UK: Cats Protection. Retrieved from https://www.cats.org.uk